Czernowitz Bukowina - Wo Menschen und Bücher lebten

 

Inhalt

Buchvorstellung
N.N. (tp)

Der Ring des Prometheus. Denksteine im Herzen. Eine auf Wahrheit beruhende Romantrilogie

Rubin Mass Verlag, Jerusalem 1996, 570 Seiten, DM 54,--

ISBN 965-09-0069-1

Dieses Buch ist im Kern ein breit erzähltes Kriegstagebuch aus der Zeit 1941-1945. Es erzählt die Geschichte der Flucht eines jungen jüdischen Studentenpaares aus der Stadt Czernowitz in der Bukowina. In aller Ausführlichkeit wird die Tragödie der Ereignisse vor dem Leser ausgebreitet, die sich in endlosen und kaum zu glaubenden Stufen der Eskalation menschlichen Leidens vollzieht. Auch wenn die Autorin das Buch im Untertitel "eine auf Wahrheit beruhende Romantrilogie" nennt, spricht doch aus jeder Seite der Schilderung die Atmosphäre eines authentischen Lebensberichtes. Die Stationen der "Trilogie" werden mit Ortsnamen bezeichnet: "Stawropol, Tbilissi, Czernowitz", die, wie eine Vorbemerkung zur Biographie der Autorin anführt, identisch sind mit ihren eigenen Lebensstationen.

Ausgangspunkt der erzwungenen Flucht ist der Ort Czernowitz. Was als überstürzte Evakuierung der Universität beginnt, verwandelt sich in eine über Jahre nicht endende Flucht mit wachsender Tendenz zum Chaos. Die junge Frau ist zum Zeitpunkt des Beginns der Flucht mit ihrem ersten Kind schwanger. Im Unterschied zum Schicksal der 35000 Czernowitzer Juden erzählt die Autorin kein Schicksal der Vernichtung, sondern die Tragödie ihres Überlebens. Der Antisemitismus steht dabei zwar immer im Hintergrund der Erzählung, aber er ist nicht bestimmend für den Verlauf des Geschehens. Erzählt wird eine "alltägliche Tragödie", die sich so oder ähnlich hunderttausendemal zugetragen haben mag, ohne je aufgeschrieben worden zu sein. Dieses Buch ist vor allem lehrreich für die Generation der nach dem Krieg Geborenen, die jenseits der großen Geschichtsschreibung wissen will, was geschah.

Auf über 500 Seiten wird der Alltag des mühseligsten Überlebens berichtet. Der Kampf um das tägliche Brot, die Schrecken des orientierungslosen Herumfahrens in überfüllten Zügen, die Erniedrigungen und Betteleien um immer neue Behelfsunterkünfte. Das Stolpern von einem Provisorium in ein nächstes. Ein dauerndes Leben in unhaltbaren Umständen. Deprimierend ist, daß in der Not nicht vor allem die Solidarität wächst, sondern der Kampf aller Gefährdeten gegen alle. Die Situation entspannt sich erst, als der Vormarsch der deutschen Truppen nach der Niederlage bei Stalingrad gestoppt wird.

Als wäre das allgemeine Geschick, der Kampf ums Überleben, um Nahrung und Obdach, gegen Ratten und Läuse nicht schon schwer genug, widerfährt dem Paar, über all das hinaus, noch ein grausames persönliches Schicksal. Die Kriegsereignisse führen eine zunächst zeitweilige Trennung herbei. Die junge Mutter bleibt mit dem Kind allein zurück. Nach der Trennung von ihrem Mann muß die Frau ihr Kind in ein Heim geben, weil sie für ihren Lebensunterhalt arbeiten muß. Das Kind stirbt, noch kaum fünf Monate alt. Der junge Vater und die junge Mutter müssen ihr erstes Kind in der Fremde begraben. Als die Frau mit einem zweiten Kind schwanger ist, wird sie endgültig von ihrem Mann getrennt. Sie muß die Flucht allein bis nach Tbilissi fortsetzen. Die tragische Geschichte findet im Tod auch des zweiten Kindes eine grausame Wiederholung.

Erst hier wird deutlich, daß das Buch für die Autorin den Versuch darstellt, das als Schuld erlebte Sterben der eigenen Kinder zu bewältigen. Es ist ein Rechenschaftsbericht, der literarische Rehabilitationsversuch einer Mutter. In weiten Teilen trägt es Züge einer verzweifelten Selbstanklage, die das Buch zu einer quälenden Lektüre macht. Wie eine grausame Ironie der Geschichte mutet es an, daß dieses schreckliche Unglück auf der Folie der Judenvernichtung immer noch als Glück des Überlebens betrachtet werden kann. Dorothea Sella hat das Buch, das erst 1996 im Jerusalemer Rubin Mass Verlag erschienen ist, bereits kurz nach Kriegsende geschrieben "in der Hoffnung, dadurch innere Befreiung zu erlangen. Sie wirkte aber nur, solange ich darin vollends versank. Nachher gab es nichts mehr, woran ich mich anlehnen, worin ich Trost finden konnte." (tp)

Dorothea Sella, stammt aus Czernowitz (Bukowina), wo sie erst unter rumänischer und dann unter sowjetischer Herrschaft Philosophie und Literaturgeschichte studierte. Sie setzte ihr Studium während des deutsch-russischen Krieges in Rußland (Stawropol) und in Grusien (Tblissi) fort und promovierte 1947 an der Universität Bukarest (Rumänien). 1964 wanderte sie mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in Israel ein und lebt seitdem in Jerusalem.

Link: www.inter-nationes.de

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